Lichtblick-in-Bielefeld
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Meine Geschichte

 

"Mein Name ist Klaus. Ich bin Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängig und ich bin hiermit einverstanden."
Mit diesen Worten beginne ist jeden Mittwoch Abend meine Vorstellung in meiner Selbsthilfe Gruppe "LichtBlick e.V."(1) Diese SHG besuche ich seit meiner Therapie in Bad Tönisstein, welche ich wegen meiner Abhängigkeit im Jahre 1986 machte.

 

Als ich am 17.07.1986, drei Wochen vor Therapiebeginn, nach Gilead IV zur Entgiftung ging, war ich am Ende. Mehrere Selbstmordversuche lagen hinter mir und ich empfand mein Leben als nicht mehr lebenswert. Ich befand mich sozial im Abseits und hatte das Gefühl nicht mehr Teil der Gesellschaft zu sein. Meine Sucht hatte mich Dinge tun lassen, welche viele Menschen in meiner Umgebung verletzt hatten. Ich hatte gelogen, betrogen und gestohlen und meine moralischen Werte, welche mir immer wichtig waren, hatte ich gebrochen. Ich war nur noch eine leere Hülle, welche ich täglich mit Suchtmitteln zu füttern hatte. Meine Menschlichkeit war nur noch schwer zu erkennen und ich wollte mein Leben nicht mehr so fortführen.

 

Der Entzug den ich machte war schlimm, so etwas hatte ich nicht erwartet. Mein Körper zeigte mir, was ich ihm in den letzten Jahren angetan hatte. Ich kotzte, schiss und schwitzte aus allen Poren. Meine Glieder schmerzten und ich hatte das Gefühl wahnsinnig zu werden. Ich stand neben mir und hatte das Gefühl, Körper und Geist werden nie wieder zusammen finden. Mein Geist hatte sich vom Leiden meines Körpers abgespalten.

 

Der Entzug wurde 1986, auf Wunsch, noch ohne Hilfsmittel durchgeführt und war im Gegensatz zum heutigen Entzug, welcher mit etlichen Medikamenten begleitet wird, noch richtig hart. Ich möchte im Rückblick allerdings nicht auf die damals gemachten Erfahrungen und Schmerzen verzichten. Sie haben mir gezeigt, welchen Schindluder ich mit mir und meinen Körper betrieben habe und hat mich in den ersten Monaten meiner Abstinenz vom Rückfall fern gehalten.

 

Ich erlebte die damalige Zeit als schmerzhaft für Körper, Geist und Seele und begriff, dass ich mein Leben verändern musste.
In meiner Therapie bekam ich die hierzu notwendigen Werkzeuge gereicht. Ich lernte, zu mir und meinen Fehlern zu stehen. Ich öffnete mich in meiner Therapie Gruppe und stellte fest, ich bin mit meiner Krankheit nicht allein. In der ersten Phase meiner Neuorientierung fiel es mir schwer über Dinge zu sprechen. Zu viele meiner Erfahrungen waren mit Scham behaftet. Es bereitet Schmerzen diese Dinge zu betrachten und zu benennen. Durch meine Therapeuten, selbst ehemals abhängig, und andere Gruppenmitglieder lernte ich, dass es keine Schande ist süchtig (krank) zu sein. Ich begann zu begreifen das Sucht eine Krankheit ist, unter der 2,5 Millionen Menschen in Deutschland Leiden. Ich war also nicht allein mit meinem Leiden.

 

Das Programm der AA (2), nach welchen in Bad Tönisstein gearbeitet wurde, gab mir eine Möglichkeit mein Leben zu verändern.
Der erste Schritt lautete: Wir gaben zu, dem Alkohol gegenüber machtlos zu sein und unser Leben nicht meistern zu können. Diese Machtlosigkeit hatte ich gegenüber meinen Suchtmitteln erfahren und es fiel mir leicht, meine Abhängigkeit als Tatsache zu akzeptieren.

 

Ich machte eine Inventur und hielt meine gemachten Erfahrungen im Tagebuch und täglichen Berichten an meine Therapeuten fest.
Ich begann, mich bei meinen Mitmenschen für das ihnen angetane zu entschuldigen. Ich erlebte Vergebung und begann mir selbst zu vergeben.

 

Mit dem spirituellen Teil des Programms hatte und habe ich Schwierigkeiten. Als Agnostiker fällt es mir schwer an einen Gott zu glauben.
Ich öffnete mich innerhalb meiner Therapiegruppe immer weiter und lernte auf diese Weise Vertrauen in mich und Andere zu entwickeln. Ich machte erste Schritte zur Genesung.

 

 

Nach 12 Wochen Aufenthalt in Bad Tönisstein wurde ich entlassen und musste mich nun im Alltag beweisen.
Die erste Zeit fühlte mich ängstlich und angespannt und die einfachsten Dinge wie Einkäufen und unter Menschen zu gehen, bereiteten mir Schwierigkeiten. Mir fehlten meine Suchtmittel, welche mich über Jahre vor diesen Gefühlen geschützt hatten. Mir war allerdings bewusst, dass ich keine Suchtmittel mehr einsetzen wollte (konnte) und somit hielt ich diesen Gefühlen stand. Ich hatte in der Therapie gelernt im Jetzt, im Augenblick, zu leben. Ich sagte mir, dass diese schlechten, unangenehmen Gefühle vergehen würden. Im Aushalten und nicht wieder zurück fallen begann ich zu wachsen und langsam stellte sich Selbstsicherheit ein.

 

Eine große Hilfe war mir seit Beginn der Besuch einer Selbsthilfegruppe. Ich schloss mich allerdings nicht den AA an sondern begann meinen Weg im Guttempler Orden. Diesen verließ ich nach ein paar Jahren und machte mich mit den anderen Gruppenmitgliedern meiner SHG unabhängig. Seit 20 Jahren gibt es unsere SHG "LichtBlick e.V." in welcher ich seit Jahren als erster Vorsitzender tätig bin.

 

 

Unsere SHG arbeitet nicht nach den Prinzipien der AA. Wir haben uns die für unsere Arbeit wichtigen Dinge aus ganz unterschiedlichen Ansätzen zusammen gebastelt. Wichtig ist uns, dass jedes Gruppenmitglied für sich selbst verantwortlich ist. Ruth Cohn und ihre "Themenzentrierte Interaktion" spielen eine wichtige Rolle für unsere Gruppenarbeit. Selbstachtung und Achtung der anderen Gruppenbesucher ist uns sehr wichtig.

 

Geschenk an. Ich durfte durch die Konfrontation mit meiner Sucht und ihrer Überwindung mein Leben und meine moralischen Werte überdenken und verändern. Ich durfte erfahren, dass mich meine Mitmenschen auch als ehemals süchtigen Menschen achten.

 

Hierzu schien es mir, war während meinen Kindheit, meiner Jugend und großen Teilen meines Erwachsenen Lebens, viel zu viel Schlimmes und Erniedrigendes vorgefallen. All diese Dinge sind heute verarbeitet und soweit wie möglich korrigiert. Ich weiß, dass sich einige Dinge nicht korrigieren lassen und lebe mit gewissen Defiziten. Fehlendes Urvertrauen ist nur begrenzt nachholbar und somit spüre ich immer wieder einmal, dass ich mich frage, was mich liebenswert macht und warum Menschen mich mögen. Heute leide ich nicht mehr unter diesen Gefühlen und muss sie nicht mehr betäuben.

 

Ganz bewusst habe ich vermieden diese schlimmen Erfahrungen genau zu benennen. Ich empfinde es heute so, dass zu jeder menschlichen Entwicklung Schmerzen notwendig sind. Große Teile meiner Suchtentwicklung liegen in meiner Familiengeschichte begründet. Im Gegensatz zu früheren Zeiten bin ich nicht mehr bereit mit Schuldvorwürfen zu agieren. Meine Eltern, Schule oder Gesellschaft tragen keine Schuld an meiner Entwicklung, sie sind nur ein Teil meiner Entwicklung. Es gibt Ursachen die in Elternhaus, Schule und Gesellschaft liegen. Meine Eltern haben eine eigene Sozialisation durchmachen müssen und sind als Kriegskinder mit einem eigenem Schicksal behaftet. Sie haben versucht mir ihr Bestes zu geben und hatten leider nicht die Chance ihre Geschichte aufzuarbeiten.

 

Innerhalb unser Gesellschaft stellt Abhängigkeit noch immer einen Makel da. Süchtige werden als schwach und charakterlos angesehen. Schwach fühle ich mich beim besten Willen nicht. Ich weiß, dass viele an den von mir gemachten Erfahrungen gescheitert wären.

 

Charakter habe ich in den Zeiten meiner Abstinenz entwickelt. Abstinenz verwende ich als Begriff schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Abstinenz bedeutet Verzicht. Ich erlebe mein Lebensführung ohne Suchtmittel nicht als Verzicht. Ich habe mich von einer großen Last befreien können und erlebe mein heutiges Leben als Befreiung von Abhängigkeit. Ich habe, soweit das möglich ist, Kontrolle über mein Leben gewonnen. In Situationen in denen

mir keine Kontrolle möglich ist habe ich Vertrauen ins Leben entwickeln können.
Ich lebe heute glücklich und schaue mit Freude auf die letzten 27 Jahre meiner Entwicklung.

 

Meine Zukunft macht mir keine Angst und ich fühle, ich werde den Rest meines Lebens meistern.
"Mein Name ist Klaus. Ich bin Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabhängig und bin hiermit einverstanden."

 

Lichtblick-in-Bielefeld
Am Brodhagen 36
33613 Bielefeld
Telefon: 0521 892314 0521 892314
Fax:
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Gruppenstunde:

Mittwoch19:00 - 20:30

"Der eine sei des anderen Medizin"

 
altes Afrikanisches Sprichwort

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